Hockey

Schuld ist immer der Schiri

Marc Brando
April 13, 2022
Bild-Kolumnist Franz-Josef Wagner lie kürzlich verlauten, dass er zwei Berufe niemals ausüben wollte. Den des Schlachters und den des Schiedsrichters. Denn in beiden Berufen stünde man auf der falschen Seite.

Das meistgehörte Vorurteil gegenüber Schiedsrichtern lautet, sie seien als Athleten selbst nicht erfolgreich gewesen. Wie ist es bei Dir?
JB: Tatsächlich hätte ich als Spieler niemals diese Ligen erreichen können, in denen ich jetzt als Schiedsrichter unterwegs bin. Aber schon als Kind hat man früh gemerkt, wo es hingehen könnte und ich habe zum Beispiel beim Rodeln im Kindergarten schon gern den Schiedsrichtern gegeben. Später habe ich es toll gefunden, wenn ich fürs Pfeifen im Clubhaus eine Cola ausgegeben bekommen habe. Nie vergessen werde ich auch, wie mich mit Björn Bachmann, einer der damals weltbesten Schiedsrichter, beim “Hockey for B’s Turnier” mit einem FIH-Badge auszeichnete. Von daher war schon recht früh klar, in welche Richtung die Reise für mich geht. Mit 16 Jahren habe ich dann bereits Oberligaspiele der Erwachsenen gepfiffen.


Inzwischen hast Du 141 Bundesligaspiele geleitet. Was glaubst Du, was Spieler und Trainer über Dich sagen?
Ich würde mir wünschen, dass Trainer und Spieler sagen, dass man sich mit mir vernünftig und respektvoll auf Augenhöhe begegnen kann. Ich bin kein Freund frühzeitiger Karten, denn damit mache ich mir unnötig Druck.

"Ich bin kein Freund frühzei-tiger Karten, denn damit mache ich mir unnötig Druck."

Test Paragraph

Anders als zum Beispiel beim Handball hast Du keine festen Gespannpartner. Verstehst Du Dich als Einzelkämpfer oder als Teil des Großen Ganzen?
In Hamburg fühlt sich hoffentlich kein Schiedsrichter als Einzelkämpfer! Als Vorsitzender des Schiedsrichter- und Regelausschusses lege ich viel Wert auf Teamdenken und Respekt. So ist Lästern über die Leistung anderer Schiedsrichter zum Beispiel ein No-Go bei uns. Wir verstehen uns als drittes Team.


Was ist neben Teamdenken und Respekt noch wichtig für angehende Schiedsrichter?
Mit 16 Jahren kann man bereits die Q-Lizenz erlangen und Jugend-Endrunden pfeifen. Auf diesem Niveau sollten Schiedsrichter:innen gut und klar kommunizieren können, vor allem aber sich einfach trauen, zu ihren Entscheidungen zu stehen.

Wie steht es denn um den Nachwuchs?
Die Qualität stimmt. Mit Hanna Klawitter und Antonia Schneider (beide THK Rissen), Joshoua Vogler (THC Horn Hamm) und Carl Rasfeld (UHC) rücken gute Talente nach! Hinsichtlich der Quantität gibt es jedoch großen Handlungsbedarf!

Wie willst Du das Problem lösen? 
Wir versuchen als Verband viel, um Nachwuchs zu gewinnen, sehen jetzt aber vor allem auch die Vereine in der Verantwortung. Da geht es auch gar nicht unbedingt um Geld, sondern insbesondere um Anerkennung. Ich habe heute noch das T-Shirt “Hockeyheld”, welches es beim Klipper für besonderes Engagement gab. Mindestens genauso wichtig ist für mich aber auch die Sichtbarkeit des Schiri-Obmanns im Verein. Ich behaupte mal, dass viele Jugendspieler und selbst einige Trainer den Schiri-Obmann in ihrem Verein gar nicht kennen. Der Obmann ist ein ganz wichtiger Multiplikator und Coach, dem eine hohe Verantwortung im Verein zukommt. Denn ein Verein braucht im Jugendspielbetrieb genauso viele Schiedsrichter, wie er Regionalliga-Mannschaften meldet. Und zwar zukünftig nicht mehr nur auf dem Papier, sondern auch bei Qualifizierungsmaßnahmen und auf dem Platz! Ich sehe da auf einige Vereine durchaus Probleme zukommen!

Lars Kopp Photosport


Lass uns über Deine Erfahrungen in der Bundesliga sprechen. Wie Du pfeifst und Karten verteilst, hat großen Einfluss darauf, ob es ein gutes Spiel wird.
Natürlich hat das einen großen Einfluss. Ich bin daher in der Regel kein Freund frühzeitiger Karten, denn damit mache ich mir und dem Spiel meist unnötig Druck. Wichtig ist aber vor allem, dass Spieler und Trainer eine konsequente Linie erwarten, auf die sie sich einstellen können. Natürlich geht es auch viel darum, Situationen ohne Karten zu lösen, was erfahrenen Schiedsrichtern vielleicht etwas leichter fällt.


Und dennoch wirst auch Du Fehler machen, vielleicht sogar spielentscheidende. Kannst Du Konzessionsentscheidungen ausschließen?
Ich glaube, dass in den seltensten Fällen eine falsche Wahrnehmung seitens des Schiedsrichters spielentscheidend ist. Aber selbst wenn ich einen Fehler gemacht habe, mache ich ihn nicht wieder dadurch wieder gut, dass ich ihn auf der anderen Seite wiederhole.

Die meist diskutierte Regel betrifft die Feldschlenzer. Gehört diese nicht längst abgeschafft?
Ich denke nicht, schließlich können Feldschlenzer ein Spiel schnell und dadurch attraktiv machen. Die Regel ist an sich auch ganz einfach, zumindest wenn man in der gleichen Sekunde sehen könnte, wo der Ball losfliegt und wo er voraussichtlich landen wird. Wurde früher sehr schnell abgepfiffen, warten die Schiedsrichter heute eher ab, wie sich die Situation entwickelt.


Wünschtest Du Dir, dass wie beim Rugby nur der Kapitän Dich ansprechen darf?
Nein. Kapitäne mögen für Trainer und Mitspieler wichtig sein, für mich als Schiedsrichter nur bedingt. Wir haben die Crowding-Regel, die reicht völlig aus und letztendlich ist es mir egal, mit wem ich spreche, Hauptsache es ist sachlich und freundlich.

Sport ist Emotion, da ist es schwer, immer freundlich zu bleiben.
Deswegen habe ich mit Meckern grundsätzlich auch kein persönliches Problem. Was mich stört, ist Einbahnstraßenkommunikation, bei der Spieler mich angehen, sich aber nicht meine Antwort anhören wollen und mir den Rücken zudrehen. Das ist respektlos und sollte eigentlich von keinem Schiedsrichter toleriert werden.


Auf und neben dem Platz gibt es teils sehr starke Persönlichkeiten. Spiele wie HTHC gegen Köln stelle ich mir sehr herausfordernd vor.
Jedes Bundesligaspiel ist herausfordernd und danach ist man erstmal kaputt, egal wen man pfeift. Insbesondere Hallenspiele mit den kurzen Pausen und der Lautstärke sind mental sehr fordernd. Und anders als die Spieler können wir nicht ausgewechselt werden. Ich brauche daher immer eine halbe Stunde, bis auch ich wieder runtergekommen bin.


Was verdient ein Schiedsrichter?
In der Bundesliga 110 Euro je Spiel. 


Dafür musst Du Dir viel anhören... 
Das gehört dazu. Wenn ich meinem HSV zuschaue, rege ich mich doch auch über vermeintliche Fehlentscheidungen des Schiedsrichters auf. Es darf sich nur nicht gegen den Menschen richten. Spieler, Trainer und Schiedsrichter üben nur eine Rolle aus!

Weitere Informationen

Kontakt:

j.borgmann@hamburghockey.de

Weitere Artikel