Auch wenn “wir” erst 10 Jahre später Weltmeister wurden, bildet das Core Performance System des Mark Verstegen aufgrund seines ganzheitlichen Ansatzes von innerer Einstellung, Ernährung, Bewegung und Regeneration das Fundament eines jeden modernen Athletiktrainings. Und so gibt es kaum noch einen ambitionierten Hockey-Verein, der nicht mittlerweile einen Athletiktrainer verpflichtet hat. Einer von ihnen ist Benni Linke (31), Athletiktrainer beim Klipper THC sowie am Olympiastützpunkt für die Nationalspieler:innen der U18, U21 und des Perspektivkaders.
Lieber Benni, Athletiktrainer sind aus dem Hockeysport nicht mehr wegzudenken. Wie ist Dein Werdegang?
Angefangen hat alles beim ETV, wo ich mit 22 Jahren recht spät anfing, Floorball (Unihockey) zu spielen. Da ich technisch nicht glänzen konnte, habe ich mich allein über meine athletischen Fähigkeiten in den Bundesligakader gekämpft und dort recht schnell das Warm-up und auch die Saisonvorbereitung übernommen. Zeitgleich habe ich Bewegungs- und Sportwissenschaften an der Universität Hamburg studiert.
Über einen Freund bin ich dann zum UHC Hamburg gekommen und übernahm die athletische Betreuung der Jugendmannschaften. Das war mein erstes bezahltes Engagement als Athletiktrainer. Nach mehr als drei Jahren musste dann eine Veränderung her und somit wechselte ich im November 2020 zum Klipper THC. Dort bot sich mir die Chance neben den männlichen Nachwuchsmannschaften auch die beiden Bundesligamannschaften zu trainieren. Im Mai diesen Jahres konnte ich dann noch einen weiteren Schritt gehen und trainiere nun am Olympiastützpunkt Hamburg die U18 und U21 Nationalspieler:innen.
Welche Wahrnehmung hast Du bezüglich des Athletiktrainings in unseren anderen beiden Sportarten, Tennis und Golf?
Auch dort wird Athletik immer wichtiger, das Training wird aber zumeist noch vom Tennistrainer oder Teaching-Pro in die eigentliche Trainingseinheit integriert. Ich denke, hier herrscht großer Aufholbedarf!
Ab wieviel Jahren fängt man denn mit Athletiktraining an?
Das kann man so pauschal nicht sagen, da insbesondere die Pubertät mal früher, mal später einsetzt. Interessant finde ich in dem Zusammenhang Bio-Banding, wie es immer häufiger im Nachwuchsfußball angewendet wird. Dort wird z.B. anhand der Knochenspalten die biologische Reifeermittelt und die Trainingsgruppen nicht starr nach chronologischem Alter, sondern hinsichtlich körperlicher Voraussetzungen eingeteilt.
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BIO-BRANDING
Während der Pubertät haben Spieler:innen trotz des selben chronologischen Alters bis zu 5 Jahre Unterschied im biologischen Entwicklungsstand. Als Konsequenz werden in vielen Sportarten vermehrt die Frühentwickler:innen gefördert. Spätentwickler:innen hingegen erhalten weniger Aufmerksamkeit, weniger positives Feedback und weniger Zugang zu guter Trainingsinfrastruktur. Häufig werden spätentwickelte Spieler:innen zu früh aus den Leistungskadern heraus genommen und hören im schlechtesten Fall mit dem Sport auf.
Durch die Einteilung der Spieler:innen anhand ihres biologischen Alters entstehen Trainings- und Wettkampfgruppen mit physisch homogenerer Leistungsfähigkeit. Frühentwickelte Spieler:innen können sich nicht mehr allein auf ihren physischen Vorteil verlassen, Spätentwickler erfahren mehr Erfolgserlebnisse.
Quelle: www.mobilesport.ch
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Das bedeutet, Athletiktraining in den Vereinen sollte individualisiert werden?
Das wäre wünschenswert, denn die Gruppen sind zumeist schon sehr heterogen. Natürlich kann ich über progressive Übungen mit variablem Schwierigkeitsgrad Ausgleich schaffen, aber letztendlich hat doch jeder so seine eigene Baustelle.
Was bedeutet das sportartenspezifisch auf Hockey bezogen?
Hockey ist ein Laufsport und wurde durch Regelinnovationen wie dem Selfpass immer schneller. Schnelligkeit gehört somit zu den wichtigsten athletischen Fähigkeiten von Hockeyspieler:innen. Im Herrenbereich läuft ein Spieler “nur” rund 6 Kilometer, muss aber durchschnittlich 15 Kurzsprints absolvieren.
Natürlich gibt es dabei positionsspezifische Unterschiede. Innenverteidiger:innen spielen auch mal durch, während Stürmer:innen je nach Wechselrhythmus zwei bis drei Minuten spielen und dann wieder eine Erholungsphase haben.
Wie wichtig ist neben Schnelligkeit das Thema Kraft?
Noch wichtiger als Kraft ist die Kraftübertragung. Eine stabile Körpermitte ist dafür unabdingbar. Übungen mit dem eigenen Körpergewicht können hier einen großen Mehrwert bringen. Hohe Zusatzgewichte können dann individuell in der fortgeschrittenen Phase eines/einer Leistungssportler:in einen zusätzlichen Trainingsreiz schaffen.
Individuell ist auch Dein Training als Personal Coach. Wie bestimmst Du die Trainingsinhalte?
Zuerst mache ich mir ein subjektives Bild vom Laufstil, der Sprinttechnik und fundamentaler Bewegungsabläufe wie Kniebeugen oder Heben. Eine große Hilfe in diesem Zusammenhang kann der “Functional-Movement-Screen“ sein, mittels dem man potentielle Verletzungsrisiken sowie ineffiziente Bewegungsmuster erkennen und im Trainingsplan berücksichtigen kann.
Du sprichst Verletzungen an und damit das vielleicht wichtigste Ziel von Athletiktraining – die Verletzungsprophylaxe.
Genau! Mit Athletiktraining wird meist Leistungssteigerung assoziiert, aber in erster Linie arbeite ich mit Menschen, die auch über ihre sportliche Karriere hinaus gesund bleiben wollen! Deswegen ist eine gute Kommunikation innerhalb des Funktionsteams, wie Headcoach, Physiotherapeut:innen undTeamärztin:innen besonders wichtig!
Athletiktraining
Benni Linke: linke_benjamin@web.de
Leistungsdiagnostik
Athletikum am UKE: www.uke.de/kliniken-institute/zentren/
uke-athleticum/
Institut für Sport- und Bewegungsmedizin:
www.sportmedizin-hamburg.com