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Ehrgeizige Eltern - Wann es zu viel des Guten ist

Jessica Benjatschek
April 6, 2022
Manche Trainer sagen: „Sport mit Kindern könnte so viel Spaß machen, wenn die Eltern nicht wären.“ Optimalerweise ziehen Trainer:innen, Eltern und Kinder an einem Strang. Wie schafft man es, ein Mittelmaß zu finden, das für alle gut ist?

"Wir brauchen ehrgeizige Eltern im Sport“, sagt Sportpsychologin und Mentalcoach Frauke Wilhelm, die unter anderem die U19 Fußball Nationalmannschaft betreut. Eltern ermöglichen ihren Kindern überhaupt erst die Teilhabe am Sport. Auch Vereine und Trainer:innen sind auf ihren Einsatz angewiesen – als Sammeltaxi, Wäscheservice, Organisator:innen oder Sponsoren-Sucher:innen. Trotzdem wird der elterliche Ehrgeiz oft als belastend wahrgenommen. Woran liegt das?

Zwischen Nähe und Distanz: Die Trainer:innen-Eltern-Dynamik

„Häufig kommt es vor, dass Trainer:innen zwar auf die Eltern zurückgreifen, sie in anderen Bereichen aber gar nicht haben wollen. Weil sie befürchten, dass sie übergriffig werden“, sagt Frauke Wilhelm. Irgendwo kann man die Mutter, die selbst im Sport aktiv war und sich während des Trainings über andere Abläufe wundert oder den Vater, der die Mannschaft zu den Wettkämpfen fährt und für sein Kind mehr Spielzeit fordert, verstehen.

Anders als der Trainer, haben sie aber nicht die gesamte Mannschaft im Blick. Trainer:innen wurde in ihrer Ausbildung fachlich auf das Training vorbereitet, haben meist aber kaum Pädagogik-Wissen. Wilhelm erklärt: „Eltern mischen sich dann zu sehr ein, wenn die Führung nicht klar genug ist, sie unsicher sind, was von ihnen erwartet wird und wie sie sich angemessen einbringen können.“

Für mehr Klarheit können Vereine einen Verhaltenskodex erarbeiten, der Regeln während Trainings und Wettkämpfen festlegt, aber auch wann und an wen sich Eltern wenden können, wenn sie sich Sorgen machen oder Fragen haben. Die Kommunikation sollte transparent sein, sodass Eltern sicher sein können über alles Wichtige informiert zu werden.

Wenn das Kind älter wird, ändern sich die Rollen

Der Verantwortungsbereich von Eltern und Trainer:innen verschiebt sich im Laufe der sportlichen Karriere. Hiebei gilt laut Frauke Wilhelm: „Je älter und besser das Kind wird, desto mehr sind Eltern dann einfach die emotionale Stütze ihres Kindes.“ Fachlich sollten sie sich immer mehr zurückzuziehen.

Da es nicht den einen Punkt gibt, an dem klar festgemacht werden kann: Jetzt sind die Rollen anders verteilt, kommt es darauf an, aufmerksam, offen und ehrlich in Kontakt mit seinem Kind zu sein. „Kinderhaben in der Regel eine konkrete Idee, was sie von ihren Eltern brauchen“, sagt Wilhelm und empfiehlt, nach dem Spiel zu fragen: „Wenn ihr verloren habt, was wünscht du dir dann auf dem Weg nach Hause? Möchtest du abgelenkt werden, darüber reden oder für dich sein und in Ruhe gelassen werden?“

Es wird Zeit, sich selbst kritisch zu hinterfragen, wenn man mehr will als sein Kind: „Wenn Eltern unter Niederlagen mehr leiden und Erfolge besser finden“, sagt Wilhelm. Eigene Gefühle und Erwartungen dürfen da sein, nur sollte der Fokus darauf liegen, was hilfreich für das Kind ist.

„Kinder wollen den für sie wichtigen Erwachsenen gefallen“

Kindlichen Ehrgeiz verstehen

Kinder wollen wie Erwachsene gut in dem werden, was sie tun. Allerdings sind sie abhängig. „Sie wollen den für sie wichtigen Erwachsenen gefallen“, sagt Wilhelm. Kinder bringen Leistung, um gelobt und anerkannt zu werden. Sie orientieren sich an den Reaktionen ihrer Bezugspersonen – egal ob sie gewinnen oder verlieren, sie müssen wissen, dass das nichts an der Beziehung zu ihnen ändert. Beim Feedback sei wichtig, Selbstwert von Leistung zu trennen und zu betonen, was das Kind zum Wettkampf beigetragen hat. So vermittelt man Kindern ein Gefühl von Selbstwirksamkeit. Frauke Wilhelm weiß: Teil des Teams, der Schlechteste oder die Beste zu sein – „das sind alles wichtige soziale Erfahrungen“.

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