Stephan, Du bist neben Deiner hauptamtlichen Tätigkeit als Landestrainer beim Hamburger Hockey Verband auch noch Videoanalyst der DANAS und seit Tokio somit Olympionike. Herzlichen Glückwunsch!
Vielen Dank! Wobei ich mich mehr als Teilnehmer der Olympischen Spiele und nicht als Olympionike fühle. Ich denke, dies bleibt den Athlet:innen vorbehalten.
Aber wenn die DANAS Edelmetall gewonnen hätten, hättest dann nicht auch Du eine Medaille bekommen?
Zumindest nicht vom IOC. Obwohl auch der Staff im Vorfeld der Olympischen Spiele vieles dem Traum Tokio untergeordnet hat. Von daher ist natürlich auch für mich ein Medaillentraum geplatzt.
Nach einer guten Gruppenphase seid Ihr leicht favorisiert ins Viertelfinale gegen die “LEONAS” aus Argentinien gegangen, habt dann aber recht deutlich mit 0:3 verloren.
Wir hatten uns darauf eingestellt, dass es zumindest eng würde und vielleicht sogar ins Penaltyschiessen gehen könnte. Auch beim Stand von 0:2 war ich eigentlich noch optimistisch, aber mit dem 0:3 war das Spiel entschieden.
Stürmerin Lisa Altenburg sagte nach dem Spiel: „Es hat an allem gefehlt. Wir sind nie in die Struktur reingekommen. Wenn man ehrlich ist, hat nichts zusammengepasst, es ist ein Tag, den man gerne aus dem Gedächtnis streicht.“ Und auf die Frage, was von Olympia in Tokio bleibe: „Nicht viel.“
Natürlich waren wir alle tief enttäuscht. Für Viele von uns werden das die einzigen oder letzten Olympischen Spiele gewesen sein. Aber im Sport geht es immer auch darum, wieder aufzustehen und stärker als vorher zu sein. So wie es Denzel Washington den Absolvent:innen der Pen State mit auf den Weg gegeben hat: “Never bediscouraged, never hold back, and give everything you got - fall forward. Fail big, but fall forward!”
Was nimmst Du darüber hinaus von den Olympischen Spielen mit?
Als Souvenir nur eine Kaffeetasse. Darüber hinaus ganz tolle Eindrücke. Die US-Amerikaner:innen mit ihrem selbstbewussten Auftreten, eine unfassbar coole 14jährige Lilly Stoephasius mit ihrem Skateboard, chinesische Basketballriesen neben Dir in der Mensa, Betten aus Kartons, die nicht nur nachhaltig, sondern tatsächlich auch bequem waren und natürlich die großen Olympischen Ringe vor dem Hintergrund der Tokio Bay – trotz Covid19 war es großartig dabei gewesen zu sein!
Wie bist Du überhaupt Videoanalyst der DANAS geworden?
Der frühere Damen-Bundestrainer Jamilon Mülders wollte mich schon mal für das Training Kurzer Ecken dazu holen, aber irgendwie kamen wir nie zusammen. Auch wenn Jami dann nach China ging, stand mein Name weiterhin beim DHB im Raum und als die DANAS 2017 einen Videoanalysten suchten, kam Sportdirektor Heino Knuf auf mich zu. Vier Wochen später war ich mit beim Hockey World League Final in Auckland.
Was macht einen guten Videoanalysten aus?
Zunächst einmal musst Du technisch fit sein. Die Zeiten, wo Du einfach mit der Kamera drauf hältst, sind längst vorbei. Du benötigst Programmierkenntnisse und Ahnung von Hard- und Software. All das musste auch ich mir erst aneignen, aber inzwischen ist es soweit, dass die Mädels selbst bei Problemen mit ihrem Handy als erstes zu mir kommen (lacht). Und während andere Länder gerne mit studierten Analysten ohne eigene Hockeyhistorie arbeiten, ist es unsere Überzeugung, dass der Analyst auch Ahnung vom Hockey haben sollte!
Wie genau sieht Dein Arbeitstag aus?
Meist bin ich der Erste auf dem Platz und richte gegen 7 Uhr die Technik ein. Während des Spiels füttere ich die Software über Tastenkürzel (”Coding”) mit allen wichtigen Aktionen. So kann ich Realtime Trainer und Co-Trainer über unsere verbundenen Headsets informieren, welche Auffälligkeiten es z.B. bei Kreiseintritten oder kurzen Ecken gibt. Nach dem Spiel schneide ich noch das Material zusammen und fülle unsere Datenbank. Ich behaupte mal, dass wir inzwischen fast jede seit London 2012 international geschossene Ecke in unserer Datenbank haben! Vieles davonmachst Du manchmal bis 23 Uhr auf dem Zimmer und dann ist es schon von Vorteil, wenn Du wie jetzt in Tokio mit Teun de Nooijer einen super angenehmen Zimmergenossen hast!
Nachdem das öffentliche Interesse an Großveranstaltungen nachgelassen hat, versucht das IOC mit neuen Disziplinen wie Skateboard, BMX, Surfen, Klettern oder 3x3 Basketball die jüngere Generation anzusprechen und zu binden. Befürchtest Du, dass traditionelle Sportarten wie Deutschlands erfolgreichste olympische Ballsportart Hockey mit seinem 11 gegen 11 irgendwann für neue Formate wie Hockey5 geopfert werden?
Hockey 5 gibt es schon seit den Olympischen Jugend-Sommerspielen 2014 in Nanjing, konnte sich bisher aber nicht richtig durchsetzen. Dennoch kann es ein Zukunftskonzept sein. Es sind immer nur vier von fünf Kontinenten bei olympischem Hockey vertreten. Vielleicht ist Hockey 5oder Beachhockey die Chance, dass auch Afrika mal teilnimmt. Der Sport grundsätzlich wird sich verändern und es wird wichtig sein, die Trends zu verfolgen und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.
Wie geht es für Dich persönlich nach Tokio weiter?
Das waren jetzt kraftraubende vier Jahre und letztendlich habe ich auch noch Familie und bin als Landestrainer für die weibliche U13 bis U16 verantwortlich. Die Mädels wollen irgendwann auch mal beiden DANAS spielen und ich werde versuchen, Ihnen bei der Verwirklichung ihres Traums behilflich zu sein! Und wenn es mal nicht reicht: fall forward!
Vielen Dank für das Gespräch, Stephan!