Hockey

Die vier Musketiere

Marc Brando
April 14, 2022
“Die vier Musketiere” war in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts die populäre Bezeichnung für vier französische Tennisspieler, die Frankreich im Davis Cup zu sechs Erfolgen in Serie führten. Der bekannteste unter ihnen war René Lacoste. Ihnen zu Ehren wurde der Siegerpokal bei den French Open “Coupe des Mousquetaires” benannt. Die vier Musketiere in diesem Text spielen Hockey statt Tennis, aber auch sie könnten eine Ära prägen, zumindest aber den großen Umbruch beim Uhlenhorster HC in Hamburg erfolgreich abschließen.Ein Interview mit Hannes Müller, Christopher Kutter, Benedikt Schwarzhaupt, Michel Struthoff und eine Einordnung ihres Trainers Benedikt Schmidt-Busse.

Die laufende Saison ist sportlich gesehen für den UHC kein leichtes Jahr. Für Euch persönlich hingegen ist es ziemlich gut gelaufen. 

CK: Es war für uns alle ein sehr intensives Jahr, in dem wir eine hohe Aufmerksamkeit wie nur selten hatten. Dazu die Anspannung, ob es für das Saisonhighlight, die WM in Indien, reicht. Hannes und Bene waren als Kapitäne gefühlt gesetzt, aber für Michel und mich war es lange spannend.

MS: Letztendlich wurde es für mich das perfekte Jahr! Deutscher Meister in der Halle und auf dem Feld mit meinen Jungs von der mU18, Europameister und dann auch noch Vize-Weltmeister – viel mehr geht nicht.

Wie muss man sich die persönliche Vorbereitung vor einem Highlight wie der WM vorstellen? Spielt im Hinterkopf immer die Angst mit, dass man sich verletzt? Spielt man – zumindest unterbewusst - zurückhaltender?

HM: Auf Entscheidungslehrgängen hörst Du sicherlich noch mehr als sonst in Deinen Körper rein, aber Zurücknehmen kannst Du Dir auf diesem Level nicht erlauben, dann bist Du raus. In einem Turnier nimmst Du Dich im Halbfinale ja auch nicht zurück, damit Du im Endspiel fit bist. 


Gibt es in der Nationalmannschaft Konkurrenzkampf?

MS: Ich empfinde kein Konkurrenzdenken, freue mich stattdessen auf die Spieler anderer Vereine, mit denen man sonst nicht so viel Zeit verbringt. Es gibt viele Freundschaften über Vereinsgrenzen hinweg, die Zimmer sind bunt gemischt.


An was erinnert Ihr Euch als Erstes, wenn Ihr an die WM in Indien zurückdenkt?

HM: An Schweiß und die Kulisse. In der Bundesliga spielst Du regelmäßig vor ein paar Hundert Zuschauern, dort waren es zuletzt 2000 Zuschauer. Indien ist hockeyverrückt und wir wurden im Hotel behandelt wie sonst nur Fußballstars in Deutschland. 

Und das, obwohl Eure Abschlussfeier im Hotel ziemlich heftig ausgefallen sein soll?

HS: Ganz so doll wie bei den Herren 2012 auf der MS Deutschland war es nicht, aber zum Fremdschämen reichte es. Trotz Aufräumens am nächsten Morgen konnte zumindest ein Zimmer kurzfristig sicherlich nicht vermietet werden. Eine Rechnung hat der Verband meines Wissens aber bisher nicht bekommen. Vielleicht auch, weil uns das Hotelmanagement bis dahin sehr gutes Benehmen attestiert hatte.


Chrischi, jeder in der Bundesliga kennt Deinen Vater Andy und sei es nur sein einzigartiges Klatschen, das man auch im WM-Stream hören konnte. Hörst Du die Anfeuerungen noch und  wichtig ist Dir, dass Deine Eltern dabei sind.

CK: ich bin immer sehr froh, wenn kein Weg für ihn zu weit ist und er dabei ist! Das Klatschen selbst höre ich nicht, dafür aber die Klassiker bei Ecken “ hauen wir rein” und “holen wir ab”.

MS: Ich finde es auch total cool, wenn meine Eltern dabei sind. Zum einen zeigt das, daß die Kinder ihren Eltern nicht egal sind, zum anderen fällt das Feedback meist konstruktiver aus als von Freunden. 


Nicht nur Feedback wirst Du bekommen, bestimmt auch klare Ansagen. Genie und Wahnsinn lagen zumindest in der Jugend bei Dir ziemlich dicht beieinander...

MS: Entsprechend tough war und ist es bei den Herren, wo ich erst lernen musste, mich hierarchisch einzuordnen und Ansagen anzunehmen. Insbesondere die “Veteranen” sind da sehr klar. Was mir in dem Zusammenhang sehr geholfen hat, waren die vielen Einzelgespräche mit Bene.


Richtige “Veteranen” gibt es bei Euch doch kaum noch, Eure Mannschaft ist extrem jung. Wer sind die Führungsspieler?

CK: Im Mannschaftsrat sind Tino Teschke, Bene und ich. Aufgrund Ihrer Erfahrung und Performance sind aber auch Tim Schwieren und Phil Schmid ganz klar zwei unserer Führungsspieler.

HM: Nach den Abgängen von Mo Fürste und Jan Philipp Rabente (d. Red.) haben wir nicht mehr den “Topstar”, die Verantwortung liegt jetzt auf mehreren Schultern verteilt. 

"Der UHC ist mein zweites Wohnzimmer."


Mit Euren Leistungen weckt Ihr natürlich auch Begehrlichkeiten bei anderen Vereinen. Wieso seht Ihr Eure Zukunft beim UHC?

HM: Weil hier etwas entstehen kann. Ich habe mit meinen Freunden so viele Schlachten schon geschlagen, da geht man nicht weg, nur weil es mal ein Jahr lang nicht läuft. Ich bin mir sicher, dass wir wieder zurück in die Erfolgsspur kommen und wenn wir dann vielleicht sogar eine neue Ära einläuten, will ich diese mitprägen.

CK: Der UHC ist mein zweites Wohnzimmer. Der Club ist sehr familiär, man kennt sich. Immer wenn ich auf unsere überragende Anlage komme, ist es wie nach Hause zu kommen.


Und dennoch wird in den Niederlanden nicht nur deutlich mehr gezahlt, sondern vielleicht auch das beste Hockey gespielt. Wie neidisch schaut Ihr nach Klein Zwitserland, wo Euer alter Mannschaftskamerad Max “Fiffy” Kapaun und der Ex-UHCer Marco Miltkau spielen.

HM: Das Offensivhockey in Holland ist natürlich derbe attraktiv für Spieler wie Michel oder mich. Aber erstens sind wir noch viel zu jung für einen Wechsel und zum anderen geht es mir hier doch gut. Als Sportsoldat kann ich nicht nur mit meinen Freunden bei einem Top-Club Hockey spielen, sondern nebenher auch noch Sport & Geo auf Lehramt studieren.


Das klingt alles schon fast zu perfekt. Wenn Ihr dennoch einen Wunsch frei hättet, welcher wäre das?

MS: Es wäre schön, wenn mir Schule genauso leichtfiele wie Hockey. Fächer wie Mathe oder Philosophie machen ja Spaß, aber ich bin leider echt lernfaul.

HM: Ich wäre auch gern besser organisiert. Und selbstdisziplinierter, vor allem was den Kauf von Sneakers angeht. Ich kann da nicht nein sagen und das geht richtig ins Portemonnaie. 

CK: Ich hätte einfach gerne mehr Zeit. Zeit, um Spiele der Jugendmannschaften oder der 2. Herren zu sehen und vor allem mehr Zeit für das Training meiner 2013er.


Was wollt Ihr Kindern und Jugendlichen mit auf dem Weg geben? 

MS: Anders als Chrischi und Hannes trainiere ich keine Kinder. Ich wüsste gar nicht, was ich denen sagen sollte -  ich weiß ja manchmal selbst nicht, was ich da tue. 

HM: Man darf und kann sich nicht allein auf sein Talent verlassen. Ich habe 2020 vom damaligen Bundestrainer die klare Ansage bekommen, dass ich athletisch zulegen muss, wenn ich weiter Natio spielen will. Auf diesem Level musst Du ständig an Dir arbeiten.

CK: Als Kind hatte ich schon immer einen ganz guten Touch am Schläger, war aber im Kopf und in den Beinen häufig zu langsam. Um konkurrenzfähig zu sein, habe ich daher immer mehr gemacht als andere. Hockey bedeutet für mich daher auch immer harte Arbeit. Noch wichtiger als Talent ist daher in meinen Augen Disziplin.

Benedikt Schmidt-Busse, Trainer UHC 1. Herren

Bene, wie schaffst Du es als Trainer, dass so unterschiedliche Charaktere an einem Strang ziehen?

Die größte Herausforderung ist die unterschiedliche Hockeysozialisation der Älteren und Jüngeren. Die Frage, wie wir miteinander umgehen und lernen wollen, wird ganz unterschiedlich beantwortet. Die Älteren sind autoritäre Stilrichtungen gewohnt, die Jüngeren wünschen sich flache Hierarchien und Mitbestimmung. Geeint durch das gemeinsame Ziel haben wir diesbezüglich in den letzten Monaten einen deutlichen Schritt nach vorn gemacht.

 

Euer Umbruch scheint abgeschlossen. Welche Ziele habt Ihr Euch gesetzt und welche Rolle spielen diese vier Jungs dabei.

Ich denke nicht, dass der Umbruch abgeschlossen ist, nur weil ältere Spieler einen neuen Lebensmittelpunkt haben und kürzertreten oder aufhören. Umbruch impliziert auch immer neue Führungsstrukturen. Jede noch so geringe Veränderung löst Prozesse aus, an deren Ende Stabilität stehen sollte. Wir sind da auf der Zielgeraden und die vier Jungs spielen eine enorm wichtige Rolle dabei. Weil wir beim UHC auch in Zukunft weiterhin auf Spieler aus dem Jugendbereich setzen wollen, gehören Hannes, Bene, Chrischi und Michel in den nächsten vier, fünf Jahren zu enorm wichtigen Säulen unserer Mannschaft. Und wenn es nach mir geht, auch gerne darüber hinaus!

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