Tennis

Der Netzwerker

Marc Brando
April 13, 2022
Er spielte mit Blau-Weiss Dinslaken in der 1. Bundesliga und erreichte Platz 246 in der Weltrangliste. Rene Nicklisch gehört aber nicht zu denen, die zurückgucken und Geschichten von damals aufwärmen. Rene lebt im hier und jetzt, denn auch mit 46 Jahren ist Tennis für ihn noch immer “der geilste Sport” der Welt.

Rene, auf Deiner Website schreibst Du davon, daß Dir der ganz große Wurf auf der Tour nicht gelang, weil Dir damals das Training für den Kopf fehlte. Bist Du auch deswegen Mental-Coach geworden?

In erster Linie verstehe ich mich als Tennistrainer. Ich ergänze allerdings mein klassisches Tennistraining um ein auch für Breitensportler handhabbares Mentaltraining. Grundsätzlich wird mir das Thema “mentale Stärke” aber viel zu hoch aufgehängt. Letztendlich läuft es auf das hinaus, was schon mein damaliger U14-Bundestrainer mantramäßig predigte: Fighten und bewegen!

Mentaltraining ist dennoch ein Riesenmarkt!  

Ja, wobei die Erwartungshaltung häufig eine falsche ist. “Hier hast Du Geld, mach mal mein Problem weg” - so einfach funktioniert das nicht. Denn mentale Probleme haben nicht immer nur etwas mit Tennis zu tun. Bei meinen Workshops mit Kindern habe ich daher immer darauf bestanden, daß auch die Eltern teilnehmen und über ihre Rolle reflektieren.


Denk ich an Mentaltraining, denke ich zuerst an Konzentration und Emotion. Was ist Dein Ansatz?

Dass das Unterbewusstsein keine Ironie versteht. Demonstratives Kopfschütteln nach Aufschlagfehlern erhöht die Gefahr des Doppelfehlers und Selbstbeschimpfungen machen nur den Gegner stark.  

"Das Unterbewusstsein versteht keine Ironie."


Anders als bei Mannschaftssportarten ist man bei der Emotionsregulierung jedoch auf sich allein gestellt, zudem hat man zwischen den Ball- oder Seitenwechseln nur wenig Zeit. Was also tun, wenn die Stimmung kippt?

Es beginnt schon viel früher mit der Matchvorbereitung. Komm physisch und psychisch rechtzeitig an, verinnerliche Deinen Matchplan und meide Energievampire.

Während des Spiels lass nicht zu, dass Dein Gegner Dir zwischen den Ballwechseln sein Tempo aufzwingt. Stell Dich erst hin, wenn Du wirklich bereit bist! Pflege Rituale und setze Dir Anker, die ein positives Gefühl bei Dir auslösen, wenn die Bälle anfangen Dir wegzufliegen. Das alles ist kein Hexenwerk und kann auch von jedem Breitensportler umgesetzt werden.  


Du hast Dich als ehemaliger Leistungssportler jetzt für den Breitensport entschieden. Warum?

Weil Breitensportler intrinsisch motiviert sind. Und weil sie es sich erlauben können, weniger egoistisch zu sein als Leistungsspieler. Tennis kann Türen öffnen, Tennis bringt Menschen zusammen. Ich habe Mannschaftswettbewerbe immer mehr geliebt als Einzelspiele. Auch deswegen gehören gemeinsame Events und Camps zu meinen Tennis-Highlights im Jahr.


Besonders große Aufmerksamkeit hast Du mit einem inklusiven Projekt im letzten Jahr erzielt. Wie kam es dazu?

Nachdem ich vor rund 10 Jahren erstmalig ein kostenloses Tenniscamp für sozial Benachteiligte initiiert habe, wollte ich etwas für Kinder und Jugendliche mit Behinderung machen. Ich habe wie verrückt Stiftungen und Vereine angeschrieben, doch zu meiner Überraschung erhielt ich kaum Reaktionen. Vielleicht war das Misstrauen zu groß, weil ich keinen inklusiven Background hatte. Also gründete ich selbst einen Verein, den “Rene Nicklisch Dazugehören e.V.” 

In Deutschland einen Verein zu gründen ist allerdings kein Spaß!

Überhaupt nicht – gut, dass ich nicht wusste, welche Bürokratie damit verbunden ist. Finanzamt, Amtsgericht, Notar und, und, und. Aber wir wollten nicht nur entsprechend unserer Ideale sondern auch vor dem Gesetz gemeinnützig sein, um z.B. Spendenquittungen ausstellen zu dürfen.


Was waren darüber hinaus die größten Herausforderungen?

Wir hatten zwar eine Idee, aber keinerlei Erfahrungen mit inklusivem Tennis. Dank der tollen Zusammenarbeit mit dem Verein “Leben mit Behinderung” haben wir uns dann aber sicher genug gefühlt, um bei SCALA in Langenhorn mit zwölf Teilnehmern eine sehr intensive und wunderschöne Campwoche zu erleben.

Wie stelle ich mir so ein Camp vor?

Einige Kinder haben Autismus, andere Trisomie 21, andere wiederum sind von der Mobilität her eingeschränkt. Damit jeder gemäß seiner Möglichkeiten trainieren kann, hatten wir extrem viel Trainer und Betreuer vor Ort. Und um die Teilnehmer nicht von der Konzentration her zu überfordern, haben wir nicht nur Tennis gespielt, sondern auch gemalt und getöpfert. Und am letzten Tag hat Max Giesinger mit seinem Gitarristen ein kleines Privatkonzert gegeben.


Wie bitte?

Max ist einer meiner Tennisschüler, genauso wie Johannes Oerding. Beide sind trotz Ihres Erfolgs extrem bodenständig und sozial engagiert. Johannes hat zum Beispiel das Essen finanziert. Ich möchte mich auf diese Weise aber auch noch mal bei allen Spendern bedanken!


War das ein einmaliges Projekt oder geht es irgendwie weiter?

Das hängt wie so oft vom lieben Geld ab. Und ob wir einen Verein finden, der uns einen Platz zur Verfügung stellt.

Weitere Informationen

Website: www.rene-nicklisch.de

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